Auf den ersten Blick scheint es ganz leicht zu sein:„Eine Supervision ist dann gut, wenn der Supervisand oder die Supervisandin zur Tür hinausgeht und denkt: Das hat mir etwas gebracht.“[1]
Eine solche Orientierung an der Zufriedenheit des Klienten/der Klientin ist für mich in den ersten von mir gehaltenen Supervisionssitzungen auch intuitiv der wichtigste Maßstab dafür gewesen, ob ich meine Arbeit als erfolgreich bewertet habe (oder – bei einer negativen Supervisanden-Aussage – eben unzufrieden war mit meiner Arbeit).
Doch bald wurde mir klar, dass es aus mehreren Gründen problematisch ist, die Qualität der supervisorischen Arbeit an dem zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebten und geäußerten Erfolg durch den Klienten festzumachen:
1) Die Aussage des Supervisanden erfolgt eben zu einem bestimmten Zeitpunkt, in der Regel direkt am Ende der jeweiligen Supervisionssitzung. Dies sagt noch nichts darüber aus, wie er/sie dies beispielsweise am nächsten Tag am Arbeitsplatz bewerten würde. Das heißt die Frage bleibt offen, wie nachhaltig ein Supervisionsgespräch (bzw. -prozess) wirkt.[2] Außerdem ist immer auch eine Differenz zwischen erlebter und geäußerter Zufriedenheit des Klienten/der Klientin möglich.
2) In der Praxis gibt es die gar nicht so seltene Erfahrung, dass eine aus Sicht des Supervisors nicht sehr gelungene Sitzung zu einem nach Aussagen des Supervisanden guten Ergebnis für diesen geführt hat (und umgekehrt). Will man eine solche Diskrepanz zwischen Eindruck des Supervisors und Aussage des Supervisanden nicht einseitig dadurch auflösen, dass der Eindruck des Supervisanden abgewertet wird, wird man weitere Bedingungen für die Zufriedenheit des Klienten annehmen müssen.
Aus systemisch-konstruktivistischer Sicht kann dabei auf das von Heinz von Foerster entwickelte Modell der trivialen und nicht-trivialen Maschinen verwiesen werden: Ein System ist dann eine triviale Maschine, wenn ein bestimmter Input einen voraussehbaren Output erzeugt. Ein solches System ist für den Beobachter potentiell vollständig durchschaubar und von ihm steuerbar. Ein nicht-triviales System hingegen kann nicht im gleichen Sinn beschrieben werden. Nicht-triviale Maschinen sind in ständigem Wandel und weisen eine Eigendynamik auf, die sich der genauen Analyse und Beeinflussung entzieht. Hier ist nicht mit Sicherheit voraussagbar, welchen Output ein bestimmter Input erzeugt. Während nicht-lebende Systeme als triviale Maschinen funktionieren (Auto, Heizung, Toaster…), beschreibt von Foerster lebende Systeme als nicht-triviale Maschinen.[3] Folglich ist bei einer Supervisionssitzung mit einem Menschen als lebendem System nicht voraussagbar, welcher Input zu welchem Ergebnis führt. Und es kann auch nicht umgekehrt von einem bestimmten Ergebnis auf die Qualität des Inputs rückgeschlossen werden.
3) Die ausschließliche Orientierung am Erfolg der Supervisionssitzung für den jeweiligen Supervisanden/die jeweilige Supervisanden wird der i.d.R. komplexen Struktur eines Supervisionssettings mit widerstreitenden Interessen nicht gerecht: Es kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die Zielvorstellungen des jeweiligen Supervisanden identisch ist mit denen des (institutionellen) Auftraggebers. Denkt man außerdem noch an indirekt Betroffene wie die Klienten des Supervisanden, Kollegen und Bezugspersonen, wie eingeschränkt die ausschließliche Ausrichtung auf die Zufriedenheit des Supervisanden ist.[4]
Diese Argumentation macht die Qualitätsdiskussion nicht unabhängig von der Orientierung am Ergebnis einer Supervisionssitzung. Allerdings gibt es keinen hinreichenden Zusammenhang zwischen Qualität der Supervisionssitzung und Zufriedenheit des Klienten – und wie einzelne Erfahrungen zeigen mitunter auch keinen notwendigen Zusammenhang.
Besser scheint es, davon zu sprechen, dass eine qualitativ hochwertige Supervisionssitzung die Wahrscheinlichkeit erhöht für ein gutes Ergebnis für Supervisanden (und andere Beteiligte), aber eben keine Garantie gibt.[5]
Anmerkungen
[1] So der Schweizer Psychotherapeut und Supervisor Martin Rufer in einem Interview mit der Zeitschrift Psychoscope auf die Frage, nach seinen Kriterien für die Qualität eine Supervisionsstunde. Vgl. Psychoscope 7/13, 11.
[2] „Wissen doch erfahrene Supervisoren, daß die Effekte ihrer Arbeit oft mit Depotspritzen zu vergleichen sind, sie zeigen erst auf lange Zeit Wirkung und sind nicht im Anschluß an einzelne Sitzungen meßbar“ H. Möller (2012), 85. Diese Problematik ließe sich allerdings verringern, wenn weitere Erhebungszeiträume eingeführt würden, z.B. zu Beginn der darauffolgenden Sitzung, am Ende eines Supervisionsprozesses oder auch durch eine Nachbefragung eine gewisse Zeit nach Abschluss des Prozesses.
[3] Vgl. H. von Foerster (1988) 19ff.; A. v. Schlippe / J. Schweitzer (2016) 91f.
[4] Vgl. R. Haubl (2017), 351.
[5] Geht man von Wahrscheinlichkeitserhöhungen durch supervisorisches Handeln aus, dann lässt mit Blick auf höhere Fallzahlen durchaus am Ergebnis ablesen, ob eine bestimmte Vorgehensweise zu einem erwünschten Erfolg geführt hat. Die in den letzten Jahren zunehmende Supervisionsforschung versucht so unter anderem durch Prä-Post-Vergleiche entsprechend der Befunde der Psychotherapieforschung spezifische Wirkfaktoren zu benennen. Vgl. R. Haubl (2017), 354f., H. Möller (2012), D. Berndt / M. Hülsbeck (2009) 110 ff.